Ursprünglich war Samaipata gar nicht in meiner Planung enthalten und ich wollte direkt nach Sucre von Cochabamba. Glücklicherweise erfuhr ich von diesem Ort und bin dorthin gefahren. Auf dem Weg hatte ich noch die eigentliche Planung im Kopf am 16.07 in Buenos Aires meinen Geburtstag zu feiern… abends am 02.07. in Samaipata angekommen, fand dort eine Poetry / Musiknacht statt. Das Campinggelände bzw. Hostelgelände ist weitläufig, verwinkelt und verwachsen. Ich hatte sofort ein sehr gutes Gefühl und fühlte mich sehr wohl. Da ich sehr müde von der Fahrt war und noch niemanden kannte, bin ich früh schlafen gegangen. Am nächsten Morgen bestätigte sich mein Eindruck.
Es war sehr grün, die Sonne schien angenehm und der Frühling zeigte sich von seiner besten Seite. Die Küche war halb-offen mit Blick auf die Wiese, die für Zelte gedacht war. Sowohl Küche, als auch 2 Gebäude für die Zimmer des Hostels sind aus Lehm gebaut.
Der gesamte Ort Samaipata erscheint einem langsamer als woanders. Alles ist entspannt, es herrscht nirgendswo Hektik. Nichtmal auf dem zentralen Markt. Normalerweise wird jeder, der den Markt betritt in anderen Städten Südamerikas von allen Seiten belagert, angesprochen, man muss schnell bezahlen und dann auch gehen, damit die Verkäufer den nächsten Kunden empfangen können. Nicht so in Samaipata. Alle sind ruhig, man hält ein kurzes Schwätzchen hier, ein längeres Gespräch dort. Man wird lieb angesprochen, angelächelt und empfängt viel Wärme der Menschen.
Die allgemeine Herzlichkeit, die Wärme und liebevolle Art der Menschen ist nicht nur auf dem Markt zu spüren, sondern wirklich überall. Ich weiß nicht, ob es der Ort ist, der es mit dir macht oder ob der Ort einfach nur solche Menschen anzieht?
Auf dem Campingplatz bzw. im Hostel, wo ich mit meinem Van stand, herrschte von Tag 1 für mich eine besondere Atmosphäre. Ich fühlte mich so wohl und gut aufgenommen von allen, die dort waren, dass ich schon an Tag 2 entschied länger zu bleiben und nicht zu meinem Geburtstag am 16.07. in Buenos Aires zu sein.
Nach einer für mich persönlich schweren Zeit war Samaipata wie Balsam für meine Seele. Zwar hatte ich in Cusco, La Paz und in Cochabamba schon tolle Begegnungen mit Menschen und gute Unterhaltungen, doch Samaipata war nochmal anders. Niemand musste sich erklären wo er/sie herkommt, wo er/sie hinwill. Vergangenheit und Zukunft waren egal, wichtig war das Hier und Jetzt, das Miteinander, das „Wir“. In kürzester Zeit waren wir wie eine Familie. Wir kochten zusammen, aßen zusammen, unternahmen Wanderungen. Saßen zusammen am Lagerfeuer, tranken Bier und Fernet miteinander, tanzten, lachten und weinten. Die Stimmung miteinander war wie die einer großen Familie. Ich war bereits viel auf Reisen und habe viele Menschen kennengelernt, doch die Begegnungen waren oft oberflächlich. Man wusste: wir gehen bald eh getrennte Wege, wir müssen uns nicht gut kennenlernen oder tiefe Gespräche führen. Meistens ging es eher um kurze Wegbegleiter, einfach nette Abende und leckere Mahlzeiten miteinander verbringen. Üblich sind Smalltalk-Fragen bei Reisebegegnungen, wie „wo bist du bisher gewesen und was sind deine nächsten Ziele?“ oder „was hast du studiert?“ und so weiter, doch in Samaipata gingen die ersten Frage eher in die Richtung „was macht dich glücklich oder traurig“, „was hat dich in deiner Kindheit besonders begeistert“. Fragen die zunächst stumpf erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung (und Unterhaltung) viele Türen und Tore im Gespräch öffnen.
Im Endeffekt bin ich 3 Wochen in Samaipata geblieben und habe auch meinen Geburtstag dort verbracht. Ich habe viele Menschen kennengelernt, viele von ihnen Argentinier. Und obwohl wir uns nur ein paar Tage kannten, war der Geburtstag vielleicht der beste, den ich bisher hatte. Soviel ehrliche Zuneigung, gute Stimmung und Vibes habe ich auf meiner Reise, um ehrlich zu sein, nicht erwartet. Eher die bereits beschriebene Oberflächlichkeit, die zwar nett ist und den Abschied wirklich erleichtert, aber einen nicht innerlich berührt und auch verändert.
In Samaipata habe ich viel über mich selbst gelernt. Normalerweise habe ich meine Reisen wirklich durchgeplant, mich immer viel informiert und die Planung war manchmal der beste Teil der Reise. Doch dahinter steckt auch viel Zwang: ich muss dies sehen, ich muss das sehen. Ich muss diesen Ort unbedingt besuchen, diese Aussicht auf jeden Fall genießen und so weiter. Man nimmt sich selbst viel Freude am Hier und Jetzt, wenn man die Freude bereits beim Planen vorwegnimmt. Denn seien wir mal ehrlich: wie oft war man von überlaufenen, touristischen Orten enttäuscht, weil die Bilder auf Instagram und co. einfach komplett überarbeitet und mit Filtern retuschiert sind? Andere Personen aus dem Bild rausbearbeitet sind, damit es „magischer“ und „einsamer“ wirkt. Bilder extra aus einem bestimmten Winkel aufgenommen, um zu suggerieren, dass xy größer ist, oder der Abhang steiler und und und.
In Samaipata habe ich mich entschlossen Druck und Stress aus meiner Reise rauszunehmen und weniger zu planen, eventuell auch länger in Südamerika zu bleiben, um eben langsamer zu reisen und einzelnes mehr genießen zu können. Klar, einige Ziele will man trotzdem besuchen, wie die Salar de Uyuni, Machu Picchu und so weiter. Aber ich hatte mir vorgenommen, mich eine Weile einfach treiben zu lassen und zu schauen, wo mich meine Reise so hinführt.